04.02.2024 11.00
Franz Schubert: „Winterreise“, D911
Text: Wilhelm Müller
Anna Fischer, Alt
Theo Palm, Klavier
Franz Schuberts Winterreise, ein Zyklus aus 24 Liedern für Singstimme und Klavier auf Gedichte von Wilhelm Müller, gilt nicht nur als Höhepunkt in Schuberts Liedschaffen, sondern als Gipfel des deutschen Kunstlieds überhaupt.
Wenige Jahre nach der Veröffentlichung von Wilhelm Müllers Gedichten fielen diese 1827 Franz Schubert in die Hände, der zu diesem Zeitpunkt bereits unheilbar an Syphilis erkrankt war. In diesem Zustand machte Schubert sich sogleich an die Vertonung der finsteren Gedichte. Sein Freund, Joseph von Spaun, erinnert sich: „Schubert wurde durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er nur: ‚Nun, ihr werdet es bald hören und begreifen.‘ Eines Tages sagte er zu mir: ‚Komme heute zu Schober. Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was Ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war.‘ Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze ‚Winterreise‘ durch. Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, der ‚Lindenbaum‘, gefallen.“
Die Hauptfigur ist ein einsamer Wanderer, der durch Eis und Kälte irrt. Nur wenig Konkretes verrät der Zyklus über diesen rätselhaften Menschen. Seine Reise ist keine gewöhnliche, sie hat kein Ziel, sie findet kein Ende. Traum, Wirklichkeit und Abgrund vermischen sich immer stärker in der Wahrnehmung des sich selbst verlierenden Wanderers. Und noch etwas ist ungewöhnlich an dieser winterlichen Reise: Der Mann wandert durch die verschneite Landschaft, doch sonst geschieht – äußerlich betrachtet – nichts. Denn das eigentliche Drama hat sich schon vor dem ersten Lied ereignet. So wird sein Inneres zum Schauplatz der Gesänge, die alle dieselbe Seelenlage spiegeln. Ausweglos kreisen sie um verlorene Liebe, Schmerz, Hoffnung und Resignation.